um 1850
Es steht ein Labyrinth in sich
gewunden
Vieltausendfach mit
halberhellten Pfaden,
Unwiderstehlich fühlt sich
eingeladen
Der Geist, vom Wissensdurst
hier zu gesunden.
„Mir nach“, ruft’s hier, den
Weg hab ich gefunden!“ –
Doch, bald erlischt das
Grubenlicht im Schwaden,
Er schwankt entlang die
nächtigen Arkaden,
Verzweifelt, stirbt an
selbstgeschlagnen Wunden
Drum lese, wer eintritt, die
an der Pforte
Geschrieben steh’n, die
ernsten Vaterworte:
„Prüfet die Geister!“ – Hort
allein und Meister
Bist du, mein Gott im freien
Reich der Geister;
Drum gib dem Kinde Kindesauges
Klarheit
Und lehre Du erkennen mich die
Wahrheit!
um 1850
Wie nach der Trennung jedem
Volk geblieben
Sein Erbteil ew’ger Wahrheit,
wie entfaltet
Sich dieser Keim in
wundermächt’gen Trieben
Wo frommer Sinn ihn liebevoll
verwaltet;
Wie dann von Wurm und Sturm
fast aufgerieben,
Durch Sünd’ und Irrtum immer
mehr entfaltet,
Dem Baum’ auch unter
unbarmherz’gen Hieben
Die Lebenskraft nie völlig ist
erkaltet:
Das zeigt der Menschheit
geistige Geschichte.
Doch nur die Eine,
reinbewahrte Lehre,
Nicht Menschenwitz, hier ist
allein die Richte,
Die jedem, selbst dem irrenden
Bestreben,
Wenn’s nur der Wahrheit galt, bereit
zu geben
In Liebe ist, die ihm gebührt,
die Ehre.
um 1850
Der Wahrheit Erbe laßt uns
treu verwalten!
Denn seit durch Lust berückt
der Geist verloren
Des Kindes reinen Blick, stets
neugeboren
Der Irrtum wird in wechselnden
Gestalten.
Hier Unterdrückt, dort weiß er
sich zu halten,
Der ew’gen Tod dem Leben hat
geschworen,
In Geistestiefen glüht er
fortzubohren
Und folgerechter stets sich zu
gestalten.
Drum wollen wir, daß sich im
Kampf’ entzünde
Neu unser Mut, der Trägheit
uns entraffen:
Was längst geschlichtet laßt
uns nimmer schlichten,
Die Abwehr nach dem Angriff
immer richten
Und nicht mit des Turniers
verbrauchten Waffen
Ohnmächtig kämpfen gegen
Feuerschlünde!
um 1850
Des Daseins Rätsel gründlich
zu entwirren
In hohlem Dünkel wähnen
Überkluge,
Nachtvögeln gleich in
ungewissem Fluge,
Die lichtscheu flatternd hin
und wieder schwirren
Thor, der du wähnst, du
könntest nimmer irren
Und stündest allzuhoch dem
Selbstbetruge:
Es geht nur allzufrüh auch
deinem Kruge,
Wie’s eben geht mit irdenen
Geschirren.
Wie fass’ ich dich, der du die
besten Kräfte
Aufbietest, dir ein wohnlich
Haus zu fügen,
Siehst, wie dich Fundament und
Kunst belügen
Und, (überfällt dich kein
geheimes Grauen?)
Dennoch ermüdest nicht in dem
Geschäfte
Aus Trümmern dich auf’s Neue
aufzubauen!
um 1850
Nicht rühme, stolzer Geist,
dein Weiterschreiten:
Du tastest am Problem mit
Hypothesen;
Du willst versteh’n und kannst
oft kaum recht lesen
Und liesest, um dir selbst zu
widerstreiten.
Wie hoch du steigst, zurück
mußt du doch gleiten,
Denn in der Sünde Schatten
steht dein Wesen;
Durch Liebe nur kannst wieder
du genesen,
Von Ewigkeit Mir will Ich dich
bereiten.
Im Fleisch ist drum das ew’ge
Wort erschienen,
Des Rätsels Wort, das Alle es
verstünden,
Die ihres Wahn’s Abgöttern
buhlend dienen!
Hier mag des Wissens Bau sich
tief begründen,
Hier forsche nach, in nie erschöpften
Minen
Wird rein der Weisheit Gold
dir sich entzünden.
um 1850
Von Gott, vom Menschen, Gottes
Bild, ihr Weisen,
Von Licht und Recht mit
sichtlichem Behagen
Von Freiheit viel Erbauliches
zu sagen
Wißt ihr und Menschenwürde
laut zu preisen
Und haarscharf sucht ihr Alles
zu beweisen.
Woher ihr Alles wißt, das
möcht’ ich fragen:
Hat euer Garten solche Frucht
getragen
Und fahrt ihr hier so ganz in
euern Gleisen?
Die Lehren all’, womit zum
eignen Ruhme
Wir uns geschmückt, sind nur
Erinnerungen,
(So sprecht, wollt ihr die
Wahrheit treu berichten,)
Sind Reste nur von jenem
Christentume,
Seit früher Jugend noch nicht
ganz verklungen,
Das wir umsonst jetzt streben
zu vernichten.
um 1850
Stets für die Wahrheit wacker
will ich fechten
In That und Wort der tiefsten
Brust entquollen,
Dem Guten nur und Schönen
Achtung zollen,
Nicht gehn und stehn mit der
Gemeinheit Knechten.
Und daß ich treu beharre bei
dem Rechten,
Sei rein und eisenfest mein
Wollen; grollen
Mag Bosheit mir und wild die
Augen rollen,
Mag Niedertracht zum Lohn mir
Dornen flechten. –
Doch hüte dich auf eigne Kraft
zu pochen;
Dem schlimmsten Feinde wirst
du dich verdingen:
Ein Drache wacht im Herzen
scheu verkrochen,
Du selber nährst ihn, dich
wird er verschlingen;
Ihm Tod zuerst! Bevor er nicht
erstochen,
Kein gottgefällig Werk dir
wird gelingen.
um 1850
Zur Gotterkenntnis könnte sich
erheben
Des Menschen Geist? Nichts
kann er hier entdecken;
Hier muß das Denken seine
Waffe strecken:
Denn nur das Endliche ist ihm
ergeben.“ –
„Erröte Geist,“ ruft’s dort,
„In deinem Streben
des Wissens Grenze allzueng zu
stecken!
Fühlst du den Gott,“ (könnt er
dich neidisch necken?) –
„Nicht wesenhaft in deinem
Innern weben?“ –
Ich aber Beides muß mit „Nein“
erwidern:
Ein anderes Gesetz in meinen
Gliedern,
(Ungöttlich ist’s) ich spüre,
daß fast grauen
Mir möchte vor mir selbst: es schuf
der Meister
Ihn liebend zu erkennen alle
Geister;
Nur Liebe kann zu ihm die
Brücke bauen.
um 1850
Der eine will die höchsten
Höh’n erfliegen,
Nicht heimelt’s ihm in diesen
Thränenthalen;
Bezaubert hängt sein Bild am
Idealen,
Wachend träumt er von nie
erkämpften Siegen.
So hoch hat sich der Andre
nicht verstiegen:
Was erdenhaft nicht ist,
schafft ihm nur Qualen,
Mit zäher Lust drum klebt er
am Realen,
Um der Gemeinheit endlich zu
erliegen.
Das Rechte habt ihr beide
nicht getroffen:
Dein Sinn stets sei dem
Höchsten zugewendet,
Nur so gelingt es dir in
kräft’gen Schlägen
Des Lebens widerspenstig
spröden Stoffen
Das Bild, das dich begeistert,
einzuprägen:
Ein Kunstwerk sei dein Leben
schön vollendet!
um 1850
Du folge nicht dem allgemeinen
Drange;
Es sei dein Geistesleben klar
beschaulich,
Wahr was du sprichst, dein
Wahnwort ernst vertraulich
Und was du liebst mit ganzer
Lieb’ umfange.
Die Deinen führ’ in weißem
Stufengange
Stets höher; was du lehrst, es
sei verdaulich
Und wie dein Wort, dein Wandel
auferbaulich;
Vor Menschen nie, vor Gott
allein dir bange!
So lebend wirst du, reich an
Selbsterfahrung,
Weit besser als durch Lesen nur
und Lehre,
Zu deinem Heil, zu Gottes
größrer Ehre,
Bescheiden Andre und selbst
beschieden,
Daß Eine nur die wahre
Offenbarung:
Du wirst es inne an dem
Gottesfrieden.
um 1850
Systeme gibt’s, die Spinngeweben
gleichen,
So sinnreich fein die Fäden
sind gesponnen;
Doch was mit Mühe Geist und
Fleiß gewonnen,
Zerrissen jedem Stoße muß es
weichen.
Systeme gibt’s, die
Eispalästen gleichen;
Doch bald ist der krystallne
Bau zerronnen,
Wenn das Geschoß ihn traf der
Frühlingssonnen. –
Hier künd ich dir der Wahrheit
sichres Zeichen:
Was ausgedacht der Geist in
lichter Klarheit,
Im Denken nicht allein soll
sich’s bewähren;
Ins Leben muß sich’s lassen
eingebären,
Neuschaffend innerlich dein
Thun verklären
Und reifend tragen volle,
goldne Aehren:
Denn beides: Geist und Leben
ist die Wahrheit.
um 1850
Was im vollendeten
Sichselbsterfassen
Aus eigner Tiefe nicht der
Geist genommen,
was ihm von Aussen nur ist
zugekommen,
Gewaltsam soll er das aus sich
entlassen.
Sich selber also tödtlich soll
er hassen,
Der ew’gen Liebe Wort soll ihm
nicht frommen,
Des heil’gen Lichtes Strahl,
kaum aufgeglommen,
Ein eitles Blendwerk,
innerlich erblassen?
Und du, der auf den liebsten
Trost verzichtet,
Im Lohne was hast du dafür
gewonnen?
Die Lüge, (wohl ist kunstreich
sie gesponnen,)
Daß dieses Ich, das denkt und
will, vernichtet
Wird im ureinen, allgemeinen
Leben,
Wie Wolkenflöckchen in der
Luft verschweben.
um 1850
In Gottes Wesenheit hinein
verwehen,
In’s weite All willst du mit
allen Sinnen
Der Welle gleich im Ozean
zerrinnen ?
So wär’s in Ewigkeit um dich
geschehen. –
In Gottes Willen frei sollst
ein du gehen,
Statt in Gefühlen träg dich einzuspinnen,
In Gott dich selbst erkennen
und gewinnen,
Im Gottschau’n einst
persönlich fortbestehen.
Wie durch Verähnlichung, nicht
durch Vernichtung
Das Leben, noch im Niederen
befangen,
Der höhern Sphäre mag sich
einverleiben:
So kannt du nur in fester
Willensrichtung,
Aufgebend alles selbststische
Verlangen,
Gotteinig werden und es ewig
bleiben.
um 1850
Die schwebend ihr in hohen
Regionen
Euch badet in des All-Eins
lichtem Schauem,
Indes wir Andern, tief im
Morgengrauen
In nebelfeuchten Niederungen
wohnen,
Bewunderung weckt ihr, doch
kein Vertrauen:
Uns unverständlich rühmt ihr
goldne Kronen,
Die dort des Geistes kühnen
Aufflug lohnen;
Doch will, was ihr versprecht,
uns nicht erbauen.
Wohl ist’s ein glanzreich
blendendes Geflimmer;
Doch wärmen und beleben will
es nimmer.
Drum seht, ihr, die im Lichte
überschwenglich,
Versenkt uns wähnt in
finsterer Cisterne,
Ob euer Schauen, dem wir
unzugänglich,
das falsche Licht nicht ist
der Blendlaterne!
um 1850
I.
Das Göttliche dir mag sich
offenbaren
Im Glauben nur; doch gegen ihn
empören
Verderbten Herzens Triebe sich
und stören
Stets neue Zweifel auf am ewig
Wahren.
Drum wohl dem Geiste, der mit
sich im Klaren!
Den Fürwitz lasse nimmer dich
bethören,
Eil’ allem Denken lieber
abzuschwören:
Vom Denken droh’n dir
tödtliche Gefahren.
Betrachte die Geschichte:
welches Schwanken
Beherrscht, seit er dem
Glauben sich entrungen,
Des Geistes sinnvoll bildende
Gedanken!
Kein dauerndes System noch ist
gelungen:
Es ist des Todes Keim woran
sie kranken:
Der Zweifel hat das stärkste
selbst bezwungen
II.
Das Denken ist des Glaubens
Unterlage,
Der ohne jenes muß in Lüften
schweben
Des Aberglaubens Mächten
preisgegeben
Stumm und unwissend auf des
Gegners Frage.
Des Denkens drum nicht feige
dich entschlage:
Im Denken webt des Geistes
tiefstes Leben,
Der ew’gen Wahrheit ohne
Widerstreben
Dein Anerkennen denkend nicht
versage!
Frommherz’ger Glaube frommt
allein dem Kinde
Und Völkern, die gleich
Kindern unvernünftig;
Der Menschengeist jedoch, zum
lichten Denken
Einmal erwacht, abschüttelt
rasch die Binde,
Um selbst zu seh’n und keinem
Meister zünftig
Den Fortschritt in der Wahrheit
selbst zu lenken.
III.
Die ew’ge Wahrheit, rein vom
Herrn verkündet,
Wird frei erfaßt in
demuthvollem Glauben.
Gewißheit hier nicht geben
kann noch rauben
Das Denken, dem, in sich
allein gegründet,
Der Sünde Lohn, der Irrtum ist
verbündet.
Urechten Text setzt stets auf
neue Schrauben
Der Zweifel, der sich Alles
wird erlauben,
Sobald die Leidenschaft ihn
wild entzündet.
Nein, nimmer führt, mag fort
und fort sie klauben,
Die Zweifelei allein zur
ew’gen Wahrheit,
Wenn sie zuvor nicht schon in lichter
Klarheit
Und freier Liebe ward erfaßt
vom Glauben.
Der Wahrheit dienen, ihren
Feind vernichten:
Sieh da des Zweifels
eigentliche Pflichten!
IV.
Der Zweifel, grundverkehrtem
Herzen eigen,
Glüht jegliche Gewißheit zu
verschlingen;
das Erste will er sein in
allen Dingen,
Vor ihm soll sich die ew’ge
Wahrheit neigen.
Des Zweifels Mund zu bringen
je zum Schweigen
Und durch Beweises Kraft ihm
aufzuzwingen
Wahrheiten, die das Denken
übersteigen,
Mit Nichten dem Verstande
wird’s gelingen.
Drum eine freie That,
Verdienst begründend
Und eine Tugend ist mit Recht
der Glaube,
Das wahre Wissen liebevoll
entzündend.
Der Zweifel aber auf dem
Schlangenpfade
Wird, nimmer satt, sich selbst
zuletzt zum Raube,
Wenn heilend nicht ihn trifft
ein Strahl der Gnade.
V.
Der Glaube ist die größte
aller Gnaden.
Hat sich von ihm das denken
losgerissen,
Dahin wankt es auf schwach
erhellten Pfaden,
Versinkt zuletzt in eignen
Finsternissen.
Hinwieder leiden wird der
Glaube Schaden,
Will er sich feig’ entzieh’n
dem ächten Wissen;
In des Gedankens reinem Aether
baden
Selbst möcht’ er sich und
Klarheit nimmer missen.
Drum strebe, Christ, von
Glaubenskraft gehalten,
Die Widersprüche, die dich
schmerzlich binden,
Die Zweifel, die dein reines
Bild entfalten,
Durch ächtes Wissen stark, zu
überwinden,
Und nach der Kräfte freudigem
Entfalten
In höhrer Einheit wieder dich
zu finden!
VI.
Sich an den Baum, tiefwurzelnd
in den Grüften
Der Mutter Erde, mag ihn Sturm
umschnauben,
Aufstrebt zum Himmel er mit
schlanken Hüften,
Indes die Äste fröhlich sich
umlauben.
Gern labt er dich im Lenz mit
Blüthendüften
Und läßt sich gern die goldnen
Früchte rauben;
Im Grunde wurzelst, hoch in
den Lüften,
Steht er ein Bild von Wissen
und von Glauben.
Im Glauben an das Wort, das
gab die Kunde:
„Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben“,
entsprießt, wächst und gedeiht
das wahre Wissen.
Je tiefer jener Wurzel schlägt
im Grunde,
Je freudiger mag dieses sich
erheben,
Und nie wirst du die Frucht,
den Frieden, missen.
VII.
dem Glauben einst unkindlich
war entsprungen,
Nach Wanderungen lüstern
längst, das Wissen.
Den raschen Jungling lockt
kein Ruhekissen,
Bis ihm das Höchste wär als
Mann gelungen,
Bis denkend es den Dingen
abgerungen
Die ewigen Gesetze, bis
zerrissen
der heil’ge Schleier nichts
mehr ließe missen,
Und ihm gehörten alle
Huldigungen
Doch kommen wird der Tag, da
in der Fülle
Arm sich es fühlet, weil um
Eins betrogen:
Nichts findend Ihn, der webt
der Dinge Hülle
Dreieinig in abgründigem
Erbarmen.
Von Sehnsucht drum und Reue heimgezogen,
Verklärt wird es durch Lieb’
in Glaubensarmen.
VIII.
Wenn mit dem Glauben einst
versöhnt das Wissen
Sich mit dem Glauben einst
versöhnt das Wissen
Sich eint nach langem
unheilvollen Streiten,
Wenn beide frei zum
Liebesbunde schreiten
Des Einen höchsten Zieles
gleich beflissen;
Wenn nach verscheuchtem Sturm
und Finsternissen
der Wahrheit Sonne leuchtet
schönern Zeiten:
Dann werden ihrer Größe
Herrlichkeiten
Auch Kunst und Wissenschaft
nicht länger missen.
In reinem Licht dann klärt
sich das Erkennen,
Erhellte Geistesblicke
schärfer lesen
Im Bild des Urbild, in der
Form das Wesen;
Der Stoff gehorcht dem
siegenden Gedanken,
Raum dann und Zeit ihm fällen
ihre Schranken,
Besiegt wird gern sich die
Natur bekennen.